Standpunkte

Herausforderungen am Horizon(t)

Elisabeth Schneider-Schneiter
Nationalrätin, Mitglied Politikteam FUTURE

Im Nationalrat werden wir in der Wintersession über die Finanzierung der Schweizer Beteiligung am 9. EU-Rahmenprogramm für Forschung und Innovation in den Jahren 2021-2027 entscheiden. Mit einem Rahmenkredit von gut 6 Milliarden Franken streben wir eine Vollassoziierung an «Horizon Europe» an. Das ist eine wichtige Weichenstellung, um den Forschenden und innovativen Unternehmen in unserem Land weiterhin den Zugang zum weltweit bedeutendsten Förderprogramm zu ermöglichen.

Wenn das Parlament die Finanzierung bewilligt, kann der Bundesrat mit der Europäischen Union über die Teilnahmebedingungen verhandeln. Gegenwärtig prägen viele Unklarheiten die Beziehungen zwischen der Schweiz und der EU. Daher ist auch bei der Einigung über die definitiven Beteiligungskriterien mit Verzögerungen zu rechnen. Das versetzt die Akteure unseres Forschungs- und Innovationsplatzes sowie auch unserer Wirtschaft in grosse Unsicherheit.

Genau vor vier Jahren war das Parlament bereits gefordert, als es darum ging, mittels der Ratifizierung des Kroatien-Protokolls eine erneute Vollassoziierung der Schweiz an «Horizon 2020» sicherzustellen. Je nach Verlauf der Verhandlungen in Brüssel werden wir auch in den nächsten Jahren in der Verantwortung stehen, damit die Schweiz in der Forschung und Innovation weiterhin an der Spitze mitwirken kann.

Wichtige Session für die Zukunft des BFI-Bereichs

Maya Graf
Ständerätin, Mitglied Politikerteam FUTURE

Die Schweizer Hochschulen und Organisationen der Forschungs- und Innovationsförderung haben Ende August auf die verheerenden Folgen der Begrenzungsinitiative für unseren Wissensplatz hingewiesen. Es steht viel auf dem Spiel: Ein Wegfall der Personenfreizügigkeit würde die Rekrutierung der besten Köpfe für unsere Bildungsstätten erschweren; zudem würde auch das Forschungsabkommen hinfällig, das uns den Zugang zum europäischen Forschungsnetzwerk sichert.

Gute Rahmenbedingungen sind unerlässlich, wenn unser BFI-Standort führend bleiben will – und diese reichen von einer offenen Schweiz über gute Strukturen bis zu Forschungsfreiheit und genügend finanziellen Mitteln.
 
In der Herbstsession darf das Parlament diese Rahmenbedingungen in beiden Kammern prägen. Im Ständerat gilt es, den sorgfältig kalkulierten Rahmenkredit für die Beteiligung an «Horizon Europe» gutzuheissen. Der Nationalrat kann für die Nachhaltigkeit und Finanzierung im Rahmen der BFI-Botschaft 2021-2024 Akzente setzen. Mit der Streichung der Kreditsperren kann er die Planungssicherheit im BFI-Bereich verbessen, wie dies der Ständerat im Juni schon entschieden hat.
 
Die europäische und die nationale Förderung ergänzen und stärken sich gegenseitig. Forschende aus der Schweiz können sich nur dann erfolgreich um EU-Mittel bewerben, wenn ihnen auch auf nationaler Ebene Exzellenz und Wettbewerb ermöglicht wird.

«Safety first» – auch im BFI-Bereich

Matthias Michel
Ständerat, Mitglied Politikerteam FUTURE

Sicherheit hat im Kontext der Pandemie-Bekämpfung in unserem Land eine neue Bedeutung erlangt. Zugleich waren noch selten so viele Augen auf den unverzichtbaren Beitrag von Wissenschaft, Forschung und Innovation gerichtet wie in dieser Krise. Vor diesem Hintergrund wird das Parlament über die Finanzierung des BFI-Bereichs in den nächsten vier Jahren entscheiden.

Die ständerätliche WBK unterstützt die BFI-Botschaft 2021-2024 mit einem Fokus auf die Bewältigung des digitalen Wandels.  Zusätzlich setzt sie weitere Akzente in der Innovationsförderung. Zentral ist für die WBK-S, dass die Akteure im BFI-Bereich Planungssicherheit haben. Sie beantragt deshalb einstimmig, in der BFI-Botschaft auf Kreditsperren zu verzichten.
 
Der Bundesrat sieht vor, einen Teil der finanziellen Mittel erst dann freizugeben, wenn das Mittelwachstum im BFI-Bereich inklusive der Ausgaben für die EU-Programme nicht grösser ist als 3%. Die gesperrten 312 Mio. Franken entsprechen rund 1% des gesamten Volumens der Botschaft. Der finanzpolitische Nutzen der Kreditsperren steht somit in keinem Verhältnis zur grossen Unsicherheit, welche damit für die Planung der betroffenen BFI-Akteure entsteht.
 
Das Prinzip «safety first» muss auch für die verlässliche Finanzierung des Wissens- und Forschungsplatzes Schweiz gelten – nicht zuletzt in Zeiten nach Corona.

Die Partnerschaft zwischen Wissenschaft und Politik stärken

Xavier Pilloud
Leiter der Geschäftsstelle des Netzwerks FUTURE

Die Wissenschaft ist der grösste Feind des neuartigen Coronavirus. Während unsere Gesellschaft eine vorläufige Bilanz über die schädlichen Folgen der Pandemie zieht, setzen wir unsere Hoffnung in die Forschung. Dies ist nach wie vor erlaubt. Wir denken darüber nach, wie wir Herdenimmunität erreichen können, ohne unser Gesundheitssystem zu überlasten, wie wir einen Impfstoff finden und zulassen können oder mit welchen Strategien sich eine zweite Welle der Pandemie vermeiden lässt. Die Wissenschaft steht bei all diesen Szenarien im Zentrum. Sie ist allgegenwärtig auf den Titelseiten der Medien und sitzt sogar mit unserer Regierung an einem Tisch.

Anfang April 2020 ernannte der Bundesrat ein hochrangiges Gremium, das ihn in Form einer Task Force berät. Zweifellos trug die vielfältige Kritik, welche die Wissenschaftsgemeinde im März geäussert hatte, zu diesem Entscheid bei. Das Wichtigste ist aber, dass sich politische Entscheidungsträger und Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler jetzt über die Modalitäten einer Lockerung der Massnahmen und die zu berücksichtigenden Risiken vor der Entdeckung und Zulassung eines Impfstoffes austauschen.

Es ist zu hoffen, dass die durch das Coronavirus ausgelöste Krise die Verknüpfung von Wissenschaft und Politik stärken wird. Denn im Land von Wissen und Innovation ist diese zu schwach. Die mangelnde Verknüpfung zwischen Wissenschaft und Politik nimmt in den Vereinigten Staaten eine dramatische Wendung. Dasselbe gilt aber auch für viele europäische Staaten, die trotz der bemerkenswerten Reaktionen ihrer Gesundheitsämter teilweise nicht auf den Ausbruch der Pandemie vorbereitet waren. Zahlreiche Fachleute warnten indes lange im Voraus vor einem solchen Risiko.

Denn letztendlich ist es die Aufgabe der Wissenschaft, uns daran zu erinnern, dass es in dieser Welt mehr Ungewissheiten als Gewissheiten gibt. Politikerinnen und Politiker müssen Entscheide fällen, Massnahmen ergreifen und Krisen managen, aber sie können sich auf die Wissenschaft stützen, um vorausschauend zu agieren, Dogmen in Frage zu stellen und alle plausiblen Szenarien in Betracht zu ziehen. Diese Chance wurde bei der Vorbereitung auf eine Pandemie eindeutig verpasst, doch sie kann genutzt werden, um einen Weg aus einer Krise zu finden. Das gilt auch für den Ausblick auf die Bereiche Wirtschaft, Klima, Sicherheit oder Ernährung. Bis heute gibt es jedoch keine formale Struktur für einen vertieften und sachkundigen Dialog zwischen den Vertretenden aus Politik und Wissenschaft.

Die beiden Welten betrachten einander schon zu lange wie Hund und Katze. Die Politik stand einer Wissenschaft kritisch gegenüber, die keine eindeutigen Fakten schafft; die Wissenschaft war distanziert gegenüber einer Politik, die sie als zu stark vereinfachend wahrnahm. Heute können wir sehen, wie wichtig diese Partnerschaft für das Funktionieren unserer Gesellschaft ist. Denn letztlich, so der Philosoph Edgar Morin, seien Wissenschaft und Demokratie zwei menschliche Lebenswelten, die beide auf der Diskussion von Ideen beruhen.

Also: Lasst uns debattieren, austauschen, unsere Zweifel und seltenen Gewissheiten teilen und das Wissen der hervorragenden Köpfe bündeln, auf die unsere Hochschulen und Forschungsinstitutionen stolz sein dürfen. So können wir dem Parlament, der Bundesverwaltung und dem Bundesrat eine echte Struktur der wissenschaftlichen Beratung vorschlagen! Das ist die Chance der laufenden Legislaturperiode.

Xavier Pilloud
Leiter der Geschäftsstelle des Netzwerks FUTURE

Entscheidendes Jahr für Bildung und Forschung

Mathias Reynard
Nationalrat, Mitglied Politikerteam FUTURE

Der Bereich Bildung, Forschung und Innovation steht vor einem entscheidenden Politjahr. In der Woche vor der Frühjahrssession überwies der Bundesrat die Botschaft zur Förderung von Bildung, Forschung und Innovation in den Jahren 2021-2024 (BFI-Botschaft) ans Parlament. In der zweiten Jahreshälfte folgen Verhandlungen über die Schweizer Beteiligung am 9. EU-Forschungsrahmenprogramm Horizon Europe und die Frage einer Teilnahme am Bildungsprogramm Erasmus.

Der Bundesrat plant langfristig. Er berücksichtigt in der BFI-Botschaft die Unsicherheit bezüglich der derzeit unbekannten Kosten für die Beteiligung an den EU-Forschungsprogrammen ab 2021. Damit verdeutlicht er seine volle Unterstützung für die Schweizer Wissenschaftsgemeinde, die nachdrücklich darauf hinweist, dass diese Beteiligung eine zentrale Voraussetzung ist für den Erfolg in den nächsten zehn bis zwanzig Jahren. Auch bezüglich Erasmus traf der Bundesrat Vorkehrungen für eine Beteiligung oder die Fortsetzung einer Schweizer Lösung.
 
Das Parlament spielt eine entscheidende Rolle. Seine Aufgabe ist es, den Ansatz des Bundesrates zu unterstützen und diesem gleichzeitig eine eigene Note zu verleihen. Als Lehrer bin ich der Ansicht, dass die Förderung der Weiterbildung und der Grundkompetenzen sowie die Ausbildungsbeiträge in den letzten Perioden zu kurz kamen und mehr Unterstützung verdienen.

Internationale Vernetzung stärkt Wirtschaft und Forschung

Petra Studer
Koordinatorin Netzwerk FUTURE

Es ist schon lange kein Geheimnis mehr, dass die Schweizer Hochschulen und Forschungseinrichtungen von der Beteiligung an den Europäischen Forschungsrahmenprogrammen (FRP) profitieren. Viele Berichterstattungen fokussierten sich jedoch stark auf die finanziellen Effekte, indem der Rückfluss von Projektunterstützungen an Forschende in unserem Land mit dem Schweizer Beitrag an die EU für die Programmbeteiligung aufgerechnet wurde. Auch wenn ein positiver Rückfluss zweifelsohne sehr erfreulich war: Die qualitativen Aspekte und deren Einfluss auf den Wissensplatz und Wirtschaftsstandort Schweiz sind noch viel bedeutsamer.

Genau diese qualitativen Aspekte werden in der vom Staatssekretariat für Bildung, Forschung und Innovation (SBFI) jüngst veröffentlichten Studie nun ins Zentrum gerückt. Eine Befragung von 878 FRP-Teilnehmenden zeigt auf, dass die europäische Forschungszusammenarbeit für die Schweiz eine Erfolgsgeschichte ist, die zu neuen Patenten, Produkten, Firmengründungen und Arbeitsplätzen führte. 

Die Bedeutung der FRP-Förderungen für die hiesigen Hochschulen bleibt offensichtlich. Die Umfrage zeigt jedoch, dass nahezu die Hälfte aller europäischen Forschungsprojekte mit Schweizer Beteiligung aus Kooperationen von Hochschulen und Privatunternehmen bestanden, wobei in 62% der Fälle KMU beteiligt waren. Mit jedem gewonnenen Projekt konnten im Schnitt drei neue Stellen (davon eine Stelle unbefristet) geschaffen werden; und aus jedem zehnten Projekt ging ein neues Spin-off oder ein Start-up hervor. Die FRP sind somit auch für die Forschung und Innovation der Schweizer Unternehmen, welche nicht in den Genuss von Fördermitteln des Bundes kommen, eine wichtige Förderquelle und stärken die Wettbewerbsfähigkeit unserer Wirtschaft.

Der Bericht des SBFI unterstreicht im Weiteren die Komplementarität der Europäischen Forschungsprogramme und des Schweizerischen Nationalfonds (SNF): Die beiden Förderquellen funktionieren ergänzend und können sich gegenseitig nicht ersetzen. Bei den FRP werden die Projekte der Akteure aus Forschung und Innovation in einem sehr kompetitiven internationalen Umfeld bewertet; grenzüberschreitende Kooperationen zwischen den Besten eines Fachs sind der Schlüssel zum Erfolg. Diese internationalen Netzwerke sind äusserst wertvoll und bleiben oft über das Projektende hinaus bestehen. Die Wettbewerbsfähigkeit des Forschungsplatzes Schweiz wird somit auch laufend gestärkt.

Eine Assoziierung der Schweiz an das 9. EU-Forschungsrahmenprogramm («Horizon Europe») in den Jahren 2021 bis 2027 hat nicht nur für unsere Hochschulen und Institutionen der Forschungs- und Innovationsförderung oberste Priorität. Auch der Wirtschaftsplatz Schweiz kann auf diese internationale Vernetzung nicht verzichten.