Standpunkte

Die Sicherheit im BFI-Bereich wiederherstellen

Fabien Fivaz
Präsident der WBK-N 2022-2023, Mitglied Politikteam FUTURE

Trotz Freigabe der Kohäsionsmilliarde und Besuch von Ignazio Cassis in Brüssel hat es die EU nicht eilig, den Dialog für eine mögliche Schweizer Assoziierung am Forschungsrahmenprogramm Horizon Europe aufzunehmen.

Die derzeitige Blockade ist für alle Beteiligten kontraproduktiv. Die in der EU ansässigen Forschungsgruppen verlieren wichtige Partner, um Konsortien zu leiten. Die Gruppen in der Schweiz sind nicht mehr an der Ausarbeitung der Forschungsprogramme der Zukunft beteiligt, insbesondere in bedeutsamen Bereichen wie Klima oder Digitalisierung. Was noch schlimmer ist: Forschende verlieren den Zugang zu den prestigeträchtigen Förderungen der EU und erwägen, unsere Hochschulen zu verlassen. Die Schweiz läuft Gefahr, im BFI-Bereich zu einem Land zweiter Klasse zu werden.
 
Bundesrat, Parlament, Verwaltung und die Forschungsinstitutionen müssen die Sicherheit im BFI-Bereich wieder herstellen. Dazu muss die Schweiz ihren Willen bekunden, an allen EU-Kooperationsprogrammen teilzunehmen:auch an Eramus+. Sie muss die Welt daran erinnern, dass sie in der wissenschaftlichen Zusammenarbeit eine grosse Nation ist: mit starken, konkreten und – warum nicht – gewagten Taten.
 
Vergessen wir nicht: das CERN 1954 in Genf gegründet wurde, um die Abwanderung der klügsten Köpfe zu verhindern und den Frieden zu fördern!

CH–EU: ein positives Signal aussenden

Andrea Gmür-Schönenberger
Ständerätin, Mitglied Politikteam FUTURE

In dieser Session werden wir im Ständerat über die Freigabe des zweiten Schweizer Kohäsionsbeitrags an ausgewählte EU-Mitgliedstaaten entscheiden. Nach dem Abbruch der Verhandlungen eines institutionellen Rahmenabkommens will der Bundesrat mit einer raschen Freigabe dieses Beitrags bekräftigen, dass die Schweiz weiterhin eine verlässliche Partnerin ist. Damit soll die Basis für die Fortführung des bilateralen Wegs und für Fortschritte in verschiedenen Dossiers der Zusammenarbeit Schweiz–EU gelegt werden.

Die APK-S setzte sich mit den Chancen und Risiken auseinander und teilt die Haltung des Bundesrates, wonach mit der raschen Umsetzung dieses Beitrags ein positives Signal in Richtung der EU ausgesendet wird. Die Rahmenkredite von gut 1,3 Mia. Franken sollen zur Verringerung wirtschaftlicher Ungleichheiten und zur besseren Bewältigung von Migrationsbewegungen beitragen.
 
Da die EU diesen Beitrag als eine Bedingung nennt, um mit der Schweiz über eine Assoziierung an Horizon Europe zu verhandeln, ist die Vorlage auch für unseren Forschungs- und Innovationsplatz von zentraler Bedeutung. Schweizer Forschende und KMU sind aktuell aus den bedeutendsten Teilen des EU-Forschungsprogramms ausgeschlossen. Das Parlament kann nun mithelfen, den Weg für eine mögliche Beteiligung an Horizon Europe zu ebnen. 

Zusammenarbeit bringt uns vorwärts

Christian Wasserfallen
Nationalrat, Präsident Politikteam FUTURE

Forschungszusammenarbeit ist für die Schweiz und ihre Partner seit Jahrzehnten ein Erfolgsfaktor. 1954 gründete die Schweiz zusammen mit anderen Staaten das CERN – heute das weltweit grösste Forschungszentrum im Bereich der Teilchenphysik. Internationale Teams hinterfragen dort täglich unser Verständis des Universums. Um dies tun zu können, sind sie auf den Willen der Politik angwiesen. Sie schafft Rahmenbedingungen und verankert die internationale Zusammenarbeit auf rechtlicher Ebene.

Seit 2004 nimmt die Schweiz als assoziiertes Land an den EU-Forschungsrahmenprogrammen teil. Nun startet Horizon Europe 2021–2027 mit einem Budget von 95,5 Milliarden Euro. Doch die Möglichkeiten der Schweizer Beteiligung sind noch nicht geklärt und die Verhandlungen blockiert. Die EU verknüpfte die unabhängigen Dossiers Horizon Europe und Rahmenabkommen unverständlicherweise. Damit wird die Wissenschaft zum Spielball der Politik. 
 
Losgelöst von den weiteren Entwicklungen zum Erhalt der bilateralen Abkommen darf die Wissenschaft nicht verpolitisiert werden. Im Europäischen Forschungsraum gibt es viele gemeinsame Projekte und Kooperationen. Das Interesse ist gross, dass die Schweiz bei Horizon Europe vollassoziiert bleibt. Zusammenarbeit bringt uns vorwärts, Blockade hingegen nicht.
 

Zusammenarbeit mit der EU sichern

Michael Hengartner
Präsident ETH-Rat

Die Europäische Union ist die wichtigste Partnerin der Schweiz für Bildung, Forschung und Innovation. Ein Ende dieser erfolgreichen Zusammenarbeit wäre ein grosser Verlust für unser Land. Ein Ausschluss von den EU-Forschungsrahmenprogrammen (FRP) könnte nicht gleichwertig ersetzt werden – weder durch nationale Programme noch durch eine engere Zusammenarbeit mit einzelnen Staaten. Die BFI-Akteure haben sich deshalb klar dafür ausgesprochen, dass die Schweiz auch am nächsten FRP «Horizon Europe» teilnimmt. Ein Abseitsstehen der Schweiz von Europa hätte mittel- und langfristig grosse negative Auswirkungen auf die Innovationskraft und Wettbewerbsfähigkeit unseres Landes.

Die Forschungsrahmenprogramme der EU sind für den ETH-Bereich extrem wertvoll. Sie erweitern unsere internationalen Netzwerke und stärken die Attraktivität und Reputation unserer Institutionen sowie der Schweiz als Forschungs- und Innovationsleader. Forschung ist schon lange nicht mehr auf Landesgrenzen beschränkt. Das hat die Corona-Pandemie exemplarisch gezeigt. Es braucht Zusammenarbeit und Austausch über die Landesgrenzen hinweg, aber auch den entsprechenden Wettbewerb. Dieser gibt unserem Land die Möglichkeit, sich mit den besten Forschenden zu messen. Könnten sich Forschende in der Schweiz nicht mehr um Grants des Europäischen Forschungsrats (ERC) bewerben (so etwas wie die Goldmedaillen der europäischen Forschung), hätten wir einen deutlichen Standortnachteil. Und die besten Forschenden aus dem Ausland würden sich bestimmt nicht mehr für eine Stelle in der Schweiz bewerben. Oder würden Sie als Tennis-Profi nur noch in Gstaad und Basel Tennis spielen anstatt in Wimbledon und Paris?

Der ETH-Rat und die Institutionen des ETH-Bereichs sind beunruhigt: Wir wissen noch immer nicht, ob und wie die Schweiz an Horizon Europe teilnehmen kann. Bildung, Forschung und Innovation riskieren zum Kollateralschaden in den Beziehungen zwischen der Schweiz und der EU zu werden. Was, ironischerweise, beide Seite schwächen würde – denn auch die EU profitiert von dieser Zusammenarbeit. Als pragmatischer Optimist hoffe ich daher bis zuletzt auf einen guten Ausgang der Verhandlungen und danke allen für ihren Einsatz dafür.

Keine Experimente mit der Gesundheit

Simone de Montmollin
Nationalrätin, Mitglied Politikteam FUTURE

In der Frühjahrssession werden wir im Nationalrat die Volksinitiative für ein Verbot von Tier- und Menschenversuchen behandeln. Eine Annahme der Initiative hätte für die Forschung, die Industrie und das Gesundheitswesen in der Schweiz gravierende Folgen.

Es liegen zwei Minderheitsanträge vor: ein direkter Gegenvorschlag zur Verankerung eines Ausstiegsplans für belastende Tierversuche in der Verfassung sowie ein Rückweisungsantrag an die Kommission mit dem Auftrag, einen indirekten Gegenentwurf auszuarbeiten. Beide Anträge sind klar abzulehnen. Die Wissenschaftsgemeinschaft bemüht sich, Tierversuche auf ein Minimum zu beschränken und mit Alternativmethoden zu ersetzen. In spezifischen Gebieten, insbesondere in der Human- und Tiermedizin, ist ein gänzlicher Verzicht jedoch nicht möglich. Ein sukzessiver Ausstieg würde für diese Bereiche ein faktisches Forschungsverbot bedeuten und somit die Zukunft des Schweizer Forschungsplatzes und den medizinischen Fortschritt gefährden.
 
Der Bundesrat und die Forschungsgemeinschaft wollen Tierversuche gemäss dem 3R-Prinzip weiter reduzieren, ersetzen und die Belastung für die Tiere verringern. Mit diesem Ziel wurde nun das neue Nationale Forschungsprogramm «Advancing 3R» lanciert. Das ist der richtige Weg im Interesse des Tierwohls ohne negative Folgen für unsere Gesellschaft.